Das muss ich noch erledigen, weil…

Oft werden die Gründe für Stress im Äußeren gesucht, wenn die Anforderungen zu belastend werden und einem die Aufgaben über den Kopf wachsen. Fordernde Chefs, chaotische Strukturen, Doppelbelastung oder wirtschaftlicher Druck sind natürlich wichtige Stressursachen. Dabei betonen Psychologen und Trainer im Bereich Stress-Management immer wieder, dass sehr oft psychische Faktoren beteiligt sind, wenn der Stress nicht mehr auszuhalten ist. Innere Bewertungen, Verarbeitungsmuster, Leistungsansprüche und Ängste tragen zum Stresserleben bei. Das nimmt Einfluss auf die Art und Weise, wie wir mit unseren Aufgaben umgehen. Sind wir beispielsweise perfektionistisch, werden wir niemals fertig und prüfen alles vielfach. Wenn dadurch Zeitdruck entsteht, nimmt auch der Stress drastisch zu.

80 Prozent sind auch mal ausreichend

Für Perfektionisten, kann es hilfreich sein, sich klar zu machen, an welchen Stellen es für sie realistisch ist, tatsächlich ein wenig locker zu lassen. Erledigen Sie Ihre Kernkompetenzen weiterhin zu 100 Prozent. Versuchen Sie, die 80 Prozent in anderen Bereichen anzuwenden (in der Freizeit, im Haushalt, in der Urlaubsplanung etc.).

  • Überlegen Sie, welche Aufgaben an  Freunde, Partner, Kinder delegiert werden können und tun Sie es auch.
  • Gehen Sie Ihre To-Do-Liste durch und überlegen Sie, welche Aufgaben nicht wichtig sind, von denen Sie aber trotzdem das Gefühl haben, dass Sie sie unbedingt machen müssen. Wählen Sie eine einzige Sache aus, die Sie einfach liegen lassen. Trauen Sie sich und lassen Sie es auch in der nächsten Woche sein.

Wenn Kollegen krank werden oder im Urlaub sind, besondere Aufgaben oder Besuche von Kunden anstehen, geraten perfektionistische Menschen ebenfalls schnell unter Druck. Deshalb hilft es, Pläne zu erstellen, die sie geprüft haben und die ihnen sinnvoll erscheinen.

  • Machen Sie sich einen Notfallplan für Wochen, in denen starke Engpässe auftreten. Legen Sie fest, was Sie in solchen Wochen nicht machen, etwa: „Wenn Kollegen krank sind und ich wichtige Aufgaben von ihnen übernehmen muss, mache ich grundsätzlich keine Aufräumarbeiten im Büro.“ Oder: „Wenn ich Kollegen vertreten muss, sage ich die Sitzung ab.“  Legen Sie sich Ihren kurzen, konkreten Notfall-Plan in Ihre Schublade im Schreibtisch oder machen Sie ein Handy-Memo. Und entscheiden Sie ab jetzt zu Beginn jeder Woche, ob es eine normale oder eine Notfallwoche ist.

Diese einfachen Tricks helfen vielen Perfektionisten im Umgang mit Stress. Wenn Sie merken, dass all das bei Ihnen Angst, Beklemmung oder ein Gefühl von „Das geht doch nicht“ oder „Das macht man nicht“ auslöst, kann es sein, dass ihr hoher Anspruch Ihnen auf quälende Weise im Weg steht. Überlegen Sie, ob Sie sich zu dem Punkt vielleicht beraten lassen wollen. Oft wird das Lockerlassen dann einfacher.

Nein sagen 

Menschen, die seit frühster Jugend gelernt haben, dass es sehr wichtig ist, anderen permanent beizuspringen, sind mit dem theoretischen Vorsatz nein zu sagen, komplett überfordert. Wer Bitten anderer nicht ausschlagen kann, der kann auch mit dem simplen Ratschlag „Du musst einfach lernen, Nein zu sagen“ nichts anfangen. Setzen Sie sich eine Viertelstunde hin und überlegen Sie, an welchen Stellen im stressigen Alltag Sie so über Ihre Grenzen gehen, dass es Sie belastet. Beantworten Sie folgende Fragen für sich am besten schriftlich

  • Wie viele Überstunden sind für Sie pro Monat in Ordnung? Wo ist meine Grenze? Was könnte ich dem Arbeitgeber konkret anbieten und wo stehe ich nicht zur Verfügung? Ein Formulierung könnte so aussehen: „Ich mache gern ein oder zwei Überstunden pro Woche, mehr nicht.“
  • Wie oft bin ich bereit, für kranke Kollegen einzuspringen oder deren Aufgaben zu übernehmen? Wo ist die Grenze? Was könnte ich anbieten (z. B. ein Mal im Monat)?
  • Welche Mehrbelastung aus der letzten Zeit ist für mich untragbar? Habe ich die Aufgaben einer erkrankten Person komplett übernommen? Wo habe ich versäumt, etwas zu sagen? Welche Teile der übertragenen Aufgabe übernehme ich gern langfristig und welche nicht.
  • Welche Kollegen kommen oft und bitten um kleine Hilfestellung? Was mache ich gern und was ungern? Gibt es Kollegen, denen ich gar nicht mehr helfen will?
  • Welche Freizeit-Verpflichtungen nerven mich insgeheim? Welche möchte ich gern loswerden?
  • Wo könnte ich mir selbst helfen lassen?

Wenn Sie die Fragen beantwortet haben, suchen Sie sich zwei Punkte heraus, gegen die Sie sich ab jetzt abgrenzen wollen. Legen Sie für diese Bereiche eine klare Regel fest wie etwa: „Ich übernehme gerne eine oder zwei Hilfestellungen pro Woche, mehr nicht.“ Oder: „Ich will einmal in der Woche etwas für mich tun, da brauchen die Kinder eine Betreuung (Partner, Eltern, Babysitter.“ Versuchen Sie nun, während der nächsten Woche eine dieser neuen Regeln umzusetzen – und beizubehalten.

Überlegen Sie auch, wie Sie diese Regeln anderen gegenüber formulieren wollen, damit Sie sich nicht wieder zu einem Verhalten überreden lassen, das über Ihre persönlichen Grenzen geht. Experimentieren Sie generell mit festen Regeln, die Sie immer vor Augen haben: Denn wer schlecht Nein sagen kann, dem hilft es, die eigenen Grenzen immer klar im Blick zu haben!

Haben Sie den Zusammenhang von der inneren Haltungen und dem Erleben von Stress in dieser Woche deutlicher wahrgenommen? Falls ja, erinnern Sie sich daran, wenn Sie das nächste Mal innerlich rotieren. Überlegen Sie dann, ob Perfektionismus oder Nicht-Nein-Sagen-Können dazu beitragen, dass die aktuelle Situation Ihnen zu schaffen macht.

Quelle: Spiegel 8/2018

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